Zeitaufwendig, fehlerbehaftet und in Zeiten der Digitalisierung eigentlich nicht mehr notwendig: Dennoch macht sich bei einem Bauvorhaben oft jeder einzelne Handwerksbetrieb auf den Weg zur Baustelle, um Maß zu nehmen. Im Workshop „Digitales Aufmaß und digitale Zwillingsmodelle für Anwendungen im Handwerk“ will der Forscher Dr. Stephan Wilhelm zusammen mit Christoph Wintrup und Martin Huppenbauer von der Firma Hemminger praxisgerechte Alternativen vorstellen. Im Popup Labor BW-Interview sprechen die Referenten über die Gefahr von Fehlerquellen bei der Maßaufnahme, das digitale Aufmaß und Perspektiven für neue und erweiterte Geschäftsmodelle.
Herr Wilhelm, wo liegt in Ihren Augen das Problem für kleine Handwerksbetriebe?
„Jedes Gewerk macht für sich Maßaufnahmen von den Örtlichkeiten, um selbst planen zu können. Da nimmt dann der Fensterbauer Maß, dann ist der Gipser da. Wenn aber schließlich der Fliesenleger kommt und einen anderen Plan hat, ändert sich alles wieder. Außerdem ist die Fehleranfälligkeit hoch, wenn da ein Mensch mit Stift und Papier arbeitet. Das falsche Maß kann genommen werden, es passiert ein Zahlendreher, die Schrift ist schwer leserlich oder die Notiz ist nicht greifbar oder sogar verloren gegangen.“
Der technische Fortschritt hat Technologien hervorgebracht, die ein durchgängig digitales Aufmaß und die Abbildung einer Raumgeometrie ermöglichen. Wie kann das kleinen Handwerksbetrieben helfen?
„Mit einem digitalen Aufmaß kann man nicht nur Übertragungs- und Schreibfehler eliminieren. Ich habe die Möglichkeit, einen Raum vollständig digital abzubilden. Und zwar nicht nur die Maße, sondern auch die Beschaffenheit und die Besonderheiten. Man sieht die Wände, Decken und Böden mit ihren Merkmalen und Durchbrüchen.“
Sie haben natürlich gleich noch einen Schritt weiter gedacht?
„Es könnte etwa ein Architekturbüro, das sowieso die Bauleitung innehat als zusätzliches Angebot das Raummodell zur Verfügung stellen. Das wäre ein neues Geschäftsmodell. Wird das digitale Zwillingsmodell anderen Projektbeteiligten zugänglich gemacht, kann es als zentrales Planungsmodell zum Einsatz kommen und bildet die Grundlage für digital basierte Austausch- und Kommunikationsprozesse (BIM-Prozesse). Die einzelnen Handwerker könnten sich so den Weg zum Objekt sparen. Nimmt man außerdem regelmäßig digital Aufmaß, kann man den Baufortschritt dokumentieren. Kunden können den Fortschritt live miterleben und der Vorgang gewinnt für alle Gewerke an Transparenz.“
Wie wollen Sie die Handwerksbetriebe erreichen?
„Natürlich ist das Misstrauen erstmal hoch und es ist heute weitgehend unüblich, sich auf fremde Maße zu verlassen. Unsere Zielgruppe sind handwerklich Tätige, die am Ende für die Qualität und Maßhaltigkeit der Ausführung verantwortlich sind. Ob auf einer Baustelle, in einem Raum oder einem Gebäude. Deswegen demonstrieren wir herstellerunabhängig Geräte und Technologien. Die Teilnehmer dürfen selbst Hand anlegen und testen, ob das Maß genauso gut ist wie das eigene und wie einfach die Bedienung der Geräte ist. Sie sollen ein Gespür dafür bekommen, ob sie damit arbeiten können. Wir wollen zeigen, dass bereits im unteren Preisbereich Technologien eingesetzt werden können, die ein durchgängig digitales Aufmaß und die Abbildung einer Raumgeometrie ermöglichen.“
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(Bildquelle: Stephan Wilhelm, Fraunhofer IAO)