Im Popup Labor BW-Workshop „Individuelle und organisationale Resilienz“ zeigen Dr. med. Thomas Bolm, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. Ulrich Schnabel, Berater für Führung und Organisationsentwicklung sowie Coach für Teams und Führungskräfte, auf wie es geht: Die Arbeit und das Leben resilienzförderlich und gesund zu gestalten. Im Interview spricht Dr. Schnabel über die psychische Belastung von Führungskräften und was stark macht bei Herausforderungen aller Art.
Die Gesundheit von Führungskräften steht im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach beruflicher Selbstoptimierung, persönlicher Leistung und wettbewerblichen Anforderungen in der „digitalen Revolution und VUKA-Welt“. Welche Faktoren machen stark gegenüber Belastungen?
„Als wesentlich haben wir die „Steh-Auf-Männchen“-Mentalität identifiziert. Die Eigenschaft, eine Krise durchleben zu können und gestärkt aus dieser hervorzugehen ist eine ganz entscheidende Fähigkeit. Auch ein grundsätzlicher Optimismus macht stark. Genauso zählen zu den stärkenden Faktoren lösungsorientiertes Denken und Handeln oder die Fähigkeit, Hilfe von Kollegen anzunehmen und auf sich selbst zu achten. Generell sind diese inneren Resilienzfaktoren Widerstandsressourcen und Verhaltensmuster, die der Mensch seit seiner Kindheit aufbaut und lernt.“
Bestehen dann überhaupt Einflussmöglichkeiten, wenn ich meine innere Resilienz stärken will?
„Am wichtigsten ist: Defizite kann man nachholen. Widerstandressourcen lassen sich aufbauen – Resilienz ist trainierbar. Man kann sich neue Verhaltensmuster aneignen. Ich hatte zum Beispiel den Fall eines jungen Mannes: Er stieg in einer mittelständischen Firma immer weiter auf, hatte ein tolles Team, seine Familie stand hinter ihm, viel positive Energie, alles machte Spaß. Eine tolle Karriere. Plötzlich wurde er zum neuen Vorstand gebeten. Veränderungen kündigten sich an. Er reagierte darauf wie immer: Er hat noch weiter Gas gegeben und wollte auch den neuen Vorständen Recht tun, kam deshalb aber schlecht gelaunt nach Hause, schwieg alles aus. Das System kippte. Er ist in die Beschleunigungsfalle getappt. Bei sehr hoher Drehzahl hat er noch weiter aufs Gas gedrückt, das führt zum Burnout. Er müsste sich Widerstandsfaktoren aufbauen, die ihm beim nächsten Mal sagen: Die innere Stimmen ernst nehmen, Feedback einholen, Reflexionszeit nehmen, für eigene Bedürfnisse eintreten…“
Wie wirken hingegen äußere Resilienzfaktoren?
„Äußere Resilienzfaktoren setzten an der Organisation und am Führungssystem an. Es geht darum zu erkennen, welche äußeren Faktoren die Resilienz schädigen oder unterstützen. Ein wertschätzender Umgang führt beispielsweise zu starken sozialen Bindungen und dadurch zu besserer kollegialer Unterstützung auf allen Ebenen. Diese erhöhen die Resilienz. Auch ausreichend Raum für Kreativität und angepasste Entscheidungsfreiheit wirkt sich Resilienz förderlich aus. Diese organisatorischen Faktoren geben Erfolgserlebnisse, stärken das Selbstbewusstsein und geben das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Ein wichtiger Bestandteil des Führungssystems ist, dass die Organisation Führungskräften und Mitarbeitern Sinnangebote machen muss. Nur wer mit seiner Aufgabe einen tieferen Sinn erkennt, bekommt die PS auf die Straße. Menschen haben auf die Entwicklung der inneren Faktoren direkten Einfluss, die äußeren Faktoren sind häufig durch organisatorische Rahmenbedingungen festgelegt, und durch einzelne Mitarbeiter schwerer beeinflussbar.“
Welche Techniken empfehlen Sie ganz pauschal, um die Resilienz zu stärken?
„Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen problembezogenen und emotionsbezogenen Ansätzen. Die emotionsbezogenen Ansätze beziehen sich auf die konkrete Situation und das Hier und Jetzt. Sie unterstützen und helfen, wenn Widerstandsressourcen drohen auszugehen. Hierzu gehören Klassiker, wie Spontanentspannungstechniken anwenden oder das Abreagieren durch Sport. Ebenso helfen positive Selbstgespräche und das Instrument der Wahrnehmungslenkung auf Positives und Lösungen.
Die problembezogenen Techniken nehmen die Ursache-Wirkungskette – also den Weg aus der Energie, aus einer positiv empfundenen Situation, aus dem Erfolg in den Stress und Misserfolg oder den Weg in die Krise und weiter in den Burnout in den Fokus. Dabei werden alle beitragenden Faktoren analysiert und Lösungsoptionen entwickelt. Konkrete Instrumente sind beispielsweise das Mentaltraining, Sinn und Werte zu erarbeiten, Glaubenssätze zu transformieren, Selbstverantwortung zu stärken, innere Führung übernehmen zu lernen oder Distanz sowie Disziplin und Impulskontrolle zu üben.“
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(Bildquelle: MentaCare)